Zwei Wochen Arbeit und ein Eimer Farbe

Anfang Juni 2020 erzählte uns ein gemeinsamer Freund zum ersten Mal von LOTTE. Das historische Festmacherboot war vermutlich Ende der 50er Jahre auf der Wilhelmsburger Albert Bonné-Werft gebaute worden. Eine Tiefbaufirma aus dem Hamburger Umland hatte LOTTE nach der Nutzung als Arbeitsboot auf dem Nord-Ostsee-Kanal ausgemustert. Zuvor fuhr LOTTE unter anderem bei einem Tauchbetrieb in Lübeck. Weiteres zu LOTTEs Geschichte ist bisher leider nicht bekannt. Unser Freund wollte LOTTE vor der Verschrottung retten, da er aber selbst schon ein altes Festmacherboot besitzt, musste für LOTTE ein anderer Eigner gefunden werden.

Nichts leichter als das: Einfach mal Dennis, der viele Jahre auf den Weltmeeren zuhause war und Andreas, der sowieso bei jeder Gelegenheit auf dem Festmacherboot mitfahren wollte, zu einem gemeinsamen Grillabend einladen. Die beiden ließen sich recht leicht „shanghaien“ und ohne lange zu überlegen entschlossen sie sich, LOTTE ein neues Leben zu verleihen.

Am 13. Juli 2020 war es dann soweit. Auf einem Tieflader wurde LOTTE aus Tangstedt zur Behrenswerft in HH-Finkenwerder gebracht und zwischen den Mauern einer ehemaligen Halle aufgestellt. Als Erstes wurde der Antrieb komplett entfernt und wir nahmen es mit unzähligen Farbschichten aus 60 Lebensjahren auf. Schnell waren mehr als „zwei Wochen“ rum und an „Farbe“ war noch lange nicht zu denken.

Während wir unzählige Niete mit dem Winkelschleifer bearbeiteten und vom Rost befreiten, mussten wir noch einen passenden Motor finden. Im September 2020 fanden wir in den Niederlanden einen 6-Zylinder MAN Diesel aus ehemaligen Beständen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Rhein. Ansonsten machten wir weiter mit schleifen, schleifen und der ersten Schicht Grundierung.

Nach einer kurzen Winterpause ging es mit LOTTE in der Halle der Behrenswerft weiter. Beim (mal wieder) Entfernen von Farbe und Rost in der Vorpiek passierte es dann: nach sechs Jahrzenten auf Elbe und Trave war der Stahl zu dünn geworden und gab nach. Der Nadelhammer hinterließ ein etwa drei Zentimeter großes Loch im Vorschiff. Die Materialstärke der umliegenden Bereiche war ebenfalls schon ziemlich schwach, sodass auf einer Länge von gut einem Meter der Schiffstahl beidseitig ausgetauscht werden musste.

Drei arbeitsreiche Monate später, im April 2021, bekam Lotte dann endlich wieder einen Motor. Welle und Propeller wurden eingepasst, ein neuer Steuerstand, für den ein anderer Festmacher der Albert Bonné-Werft Pate stand und die neue, wesentlich größere Motorklappe wurden ebenfalls montiert. Bis Mitte Mai 2021 wurde dann der neue Anstrich fertiggestellt.

Nach dem Umsetzen auf einen Helgen ging LOTTE am 21. Mai 2021, nach knapp einem Jahr Arbeit und ungezählten Töpfen Farbe wieder zu Wasser und liegt seit Juli 2021 endlich in ihrem neuen Heimathafen in Oevelgönne. Dort haben wir abschließend die Holzarbeiten für Boden und Bänke vorgenommen und die Restaurierung mit einer kleinen Feier im September 2021 abgeschlossen. Seitdem sind der Reiherstieg, die Speicherstadt und die zahlreichen anderen Kanäle im Hamburger Hafen LOTTEs neues, altes Revier.

4 Kommentare zu „Zwei Wochen Arbeit und ein Eimer Farbe“

    1. Auch von mir nochmal herzlichen Glückwunsch zur „Flotten Lotte“! Ist echt schön geworden.
      Gern würde ich mal wieder in nem Festmacher mitfahren, direkter ist man nur beim Schwimmen im Wasser 😉
      Liebe Grüße, Ute

  1. Was für eine tolle Geschichte und einfach wunderbar, wenn alte Schiffe so ein Glück haben und durch echte Liebhaber wieder flott gemacht werden. Mit Herzblut, Zeit, Kraft und viiel Geld ..👍👏👏 viel Glück mit Lotte und immer genug Wasser unterm Kiel!!!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen